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Vittorio De Palma

Phänomenologie — Psychologie oder Ontologie?

(Volume 12 (2016) — Numéro 8)
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Anexidades

Abstract

The paper tries to show that Husserl de facto conceives phenomenology both as an eidetic psychology and as an eidetic ontology, then tries to account for such contradiction and to argue that this has to be solved by thinking phenomenology in an ontological sense, i.e. as a structural analysis of the world of experience or transcendental aesthetics, instead of in a psychological sense, i.e. as a structural analysis of really immanent occurences or introspection. In fact, the form of the world does not depend on the subjective apprehension of immanent elements, but on objective relationships among sensuous contents.


1. Einleitung

1Die Zweideutigkeit der Phänomenologie hängt mit der Zweideutigkeit des Worts „Erscheinung“ bzw. „Phänomen“ zusammen, das im noetischen Sinn als die cogitatio bzw. das reelle Bewusstsein oder im noematischen Sinn als der intentionale Inhalt des Bewusstseins bzw. das Bewusste verstanden wer­den kann, weshalb es sowohl das Erscheinen, d.h. die immanenten Erlebnisse, als auch das Erscheinende als solches, d.h. die transzendenten Gegenstände, bezeichnen kann.1 Die Phänomenologie gilt im ersten Fall als eine Psychologie, im zweiten als eine Ontologie.

2Daraus stammt die Zweideutigkeit der phänomenologischen Reduk­tion, die in einer „Phänomenierung“ (Hua XXIV, 211) oder Reduktion des Seins auf das Phänomen besteht.

3Wird „Phänomen“ als sinnlich Erscheinendes bzw. „Index“ möglicherErfahrungen (Hua VIII, 434) verstanden, so werden durch die Reduktion die realen Gegenstände auf das reduziert, was sie an sich sind, d.h. als sinnliche Gegenstände betrachtet. Beseitigt werden bloß die erklärenden Substruk­tionen, die das Subjekt dahinter ansetzt. In dieser Fassung gibt die Reduktion nicht die Welt preis, sondern enthüllt ihren Sinn (ebd. 457), indem sie ermöglicht, „die Erfahrungswelt als Welt der möglichen Erfahrung“ zu be­trachten (ebd. 436), mithin „den Wesenszusammenhang zwischen der Idee einer seienden Welt und dem System möglicher Erfahrungen“ zu fassen (ebd. 400). Husserl sagt geradezu, dass nach dem Vollzug der Reduktion die Welt „mir als seiend weitergilt, wie sie gegolten hat“ (Hua XXXIV, 247). Denn ich finde „in meiner reduzierten Sphäre nicht nur mich und mein Leben und darin überhaupt Vermeintes, sondern als immer und notwendig Vermeintes vor allem eine einheitliche primordiale Natur“, die „für mich wahrhaft seiend und […] notwendig geltend“ ist und die „ich nicht in Zweifel ziehen [kann] — als Natur solcher einstimmigen universalen Erfahrung“ (Hua VIII, 436f.).

4Wird hingegen „Phänomen“ als immanentes Erscheinen bzw. reeller Inhalt verstanden, so werden durch die Reduktion die realen Gegenstände auf das Bewusstsein reduziert. Beseitigt wird das sinnlich Erscheinende. Es geht also dabei um eine psychologische Reduktion auf das reell Immanente, die schon in den Logischen Untersuchungen angedeutet wird.2 Der carte­sianische Weg — der die Reduktion als Ausschaltung der Welt und das Bewusstsein als Residuum betrachtet — führt nämlich dazu, die Reduktion als eine Reduktion auf den Bewusstseinsstrom zu verstehen, deren Thema nicht die Welt, sondern bloß die auf die Welt sich beziehenden subjektiven Akte und Erscheinungsweisen sind (ebd. 432, 434). Demgemäß ist die „reduzierte Erfahrung […] rein immanente Erfahrung“ (Hua XXV, 110) und was nach der Reduktion übrigbleibt, ist „das reine Bewusstseinsleben selbst“ (ebd. 100) bzw. „das volle Erlebnis“ (ebd. 110): die einzige Wirklichkeit ist das Was und Wie der subjektiven Habe, d.h. der naturerfahrenden Aktionen und Affektionen (ebd. 106).

2. Der Konflikt zwischen ontologischem und psychologischem Ansatz

5In einem um 1900 niedergeschriebenen Text bemerkt Husserl, dass, obwohl Kant die psychologische Begründung der Erkenntnistheorie ablehnt, in seiner Formenlehre „eine Art Psychologie“ liegt. Denn zur Natur des menschlichen Intellekts gehören nach ihm gewisse Funktionsformen, deren Gesetzmäßig­keit insofern allgemeingültig ist, als sie zu jedem Menschen als solchen gehört, genauso wie nach Hume zum Wesen der menschlichen Natur notwendige und allgemeine Gewohnheitsgesetze gehören, aus denen die Einheit der Erfahrungswelt erwächst. „Wenn Kant statt des Prinzips der Gewohnheit andere, aber ebenso subjektive allgemein menschliche Prinzi­pien der Erfahrungsbildung einführt — macht das einen so fundamentalen Unterschied aus? Liegt nicht auch in Humes Lehre die kopernikanische Umwälzung, nämlich dass sich alle Erfahrungseinheit nach dem Denken richtet?“ (Hua VII, 354). Kant ist also in der Tat ein Vertreter des Anthropologismus oder spezifischen Relativismus, wie in § 38 der Pro­legomenazur reinen Logikbemerkt wird.

6Nach der transzendentalen Wende wiederholt Husserl solche Kritik.„Der Psychologismus […] lebt auch in Kant fort“ (ebd. 402). Er führt nämlich die Objektivität auf eine „uns immanente[] Gesetzmäßigkeit der Funktion“ zurück (ebd. 361), insofern er die Notwendigkeit der synthetischen Urteile a priori„als Notwendigkeit der Form, als psychologische Notwen­digkeit im Sinn einer Naturgesetzmäßigkeit formgebender Funktionen“ ansieht (ebd. 381), während es um eine objektive Notwendigkeit geht, die rein „zum Gehalt des Geurteilten“ gehört (ebd. 359). Die Unmöglichkeit, dass ich sinnliches Material unräumlich hätte, besagt z.B. nicht „die Unfähigkeit, eine abweichende Anschauung zu bilden“, die darin gründet, „dass es eine Ureigenheit der menschlichen Subjektivität ist, alles sinnliche Material in eine Raumform einordnen zu müssen“, und „dass ich eben eine Anschauung vom reinen, d.i. aus dieser […] Subjektivität entsprungenen Raum habe“; sie besagt vielmehr eine „wesensmäßige Unmöglichkeit“, die in der Natur des Dings gründet, weshalb „nicht sinnliches Material notwendig räumlich geformt ist“, sondern „sinnliche Eigenschaften eines sinnlich gegebenen Dinges notwendig […] räumlich <gegeben> sein müssen […]; aber nur, wenn ich von Dingen ausgehe, nicht aber von Emp­findungsdaten“ (ebd. 357f.). Raum und Zeit gelten nämlich nicht als Formen des Bewusstseins oder der Sinnlichkeit, sondern als Formen der individuellen Gegenstände: Sie gehören zum Ding, nicht zum Subjekt (Hua XXIV, 273f.; Ms. B IV 1/33a-b).

7Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass die apriorische Struktur der Welt in den sinnlichen Wesensgehalten gründet, dass jedwede aus formgebenden Funktionen des Subjekts stammende Notwendigkeit eine bloß psychologische ist und dass die Rückführung der Objektivität auf subjektive Leistungen als Psychologismus anzusehen ist.

8Husserl selbst verfällt allerdings dem psychologistischen Ansatz durch das Modell von Inhalt und Auffassung, wonach die Konstitution aus zweierlei stammt: Die Empfindungsinhalte, die bewusstseinsimmanent sind und den „tote[n] Stoff“ der Auffassung ausmachen (Hua XVI, 46), und die dem Auffassungsakt entspringende intentionale Form, die die Empfindungsinhalte be­seelt und zu Erscheinungen des transzendenten Gegenstandes macht. Demzufolge hat die Konstitution kein sachliches Prinzip und ihr bleibt nur die psychologische Gesetzmäßigkeit der Formgebung. Dies führt zwangsläufig zum subjektiven Idealismus, der die Welt in die Erlebnisse auflöst und von Husserl selbst kritisiert wird (Hua VII, 246f.; Hua I, 118). Sind nämlich die Urbestände der Konstitution immanent und formlos, dann stammen sowohl der Stoff als auch die Form des Konstituierten aus dem Bewusstsein und die Welt ist eine Schöpfung des Subjekts (Hua XLII, 170).

9Das widerspricht der Lehre der materialen Gesetzlichkeit, wonach die sinnlichen Formen nicht aus den Akten des Subjekts, sondern aus der sachlichen Eigenart der Inhalten stammen (Hua XIX, 288ff., 714ff.; EU, 214ff.), weshalb die sinnliche Auffassung durch die Wesensbeschaffenheit des sinnlichen Stoffs bestimmt wird.3Gegen die Ansicht, dass Dinge Gedankengebilde oder gar Fiktionen sind im Gegensatz zu den gegebenen Elementen wie Farben und Töne, betrachtet Husserl die Dinge als Ganzen, die in der Natur der als Fundamente fungierenden Eigenschaften gründen und ebenso wie diese sinnlich gegeben sind. Insofern aber er die immanenten Empfindungsinhalte als das eigentlich Gegebene und die transzendenten Dinge als Produkt einer Deutung von ihnen ansieht, verfällt er einer Intellektualisierung der Sinnlichkeit.4 Hier tritt der Konflikt zwischen dem ontologischen und dem psychologischen Ansatz in Husserls Denken deutlich hervor.5

10Durch das Modell von Inhalt und Auffassung verfällt Husserl zudem der von ihm kritisierten Schlusstheorie der Wahrnehmung. Wenn nämlich nur reell immanente Empfindungsinhalte unmittelbar gegeben sind, dann gelten sie als „Unterlage“ (Hua XI, 17) oder „Fundamente der Auffassung“ (Hua XIX, 399) und haben dieselbe vermittelnde Funktion in der Wahr­nehmung wie Zeichen und Bilder im Zeichen- und Bildbewusstsein, weshalb sie als Repräsentanten des sinnlichen Gegenstands dienen, der mittelbar gegeben ist: In Widerspruch zu seiner These, dass transzendente Gegen­stände „durch […] äußere Erfahrung unmittelbar gegeben“ sind (Hua XXXVI, 178), bezeichnet Husserl die äußere Wahrnehmung als „ein mittelbares Bewusstsein, sofern unmittelbar nur eine Apperzeption gehabt ist, ein Bestand von Empfindungsdaten […] und eine apperzeptive Auffassung, durch die eine darstellende Erscheinung sich konstituiert“ (Hua XI, 18). Denn Raumgegenstände „konstituieren sich schon mittelbar, durch ,Apper­zeption‘ von Empfindungsgegenständen“, während Empfindungsgegenstände „unmittelbar sinnliche Gegenstände“ sind und „als apperzeptive Repräsen­tanten für höherstufige apperzipierte Gegenstände dienen“ (Hua XXXIII, 319).

11Husserl behandelt die äußere Wahrnehmung als eine Repräsentation, da er mit Brentano nur die immanente Wahrnehmung — in der der Inhalt im Akt reell beschlossen ist, also esse und percipi zusammenfallen — für die eigentliche Wahrnehmung hält.6 Obwohl nämlich er Brentanos Auffassung der sinnlichen Inhalte als Anzeigen des Wirklichen ablehnt, hält Husserl daran fest, dass nur das Erlebte eigentlich gegeben ist.7 Eben dies führt ihn zum Idealismus, der in seiner Fassung nicht in der These der Korrelation von Gegenstand und Bewusstsein liegt, sondern in der Reduktion auf das absolute Bewusstsein oder Auflösung der Welt in Bewusstseinszusammenhänge.8 Insofern nur das Psychische wahrhaft besteht, gibt es eigentlich „gar nichts anderes […] als ,Geister‘“ (Hua XLII, 158) und „alles Physische ist selbst nur eine Beziehung zwischen Bewusstseinen“ (Hua XIII, 7). Wie kann aber das Physische nur eine Beziehung zwischen Bewusstseinen sein, es sei denn es ein bloß Ideales ist, das vom Subjekt erzeugt wird, und zwar das Ergebnis einer Projektion oder eines Schlusses aus dem, was dem Bewusstsein reell einwohnt? Treffend bemerkt Melle:

Sind das in der Wahrnehmung eigentlich Gegebene Sinnesdaten, dann ist entweder alles ge­genständlich Bewusste als Auffassungskorrelat bloße gedankliche Konstruktion, eine bloße Be­deutung — die sinnlichen Daten gel­ten als eine Art Zeichen — oder wir erklären das an­schauliche Gegebensein der Gegenstände […] aus einer Projektionsleistung zugrundelie­gen­der verborge­ner Tätigkeiten der Seele an irgendwelchen ebenfalls verborgenen Stoffen. […] Wie sollte auch das Bewusstsein als reell-immanenter Zusam­menhang allein aus reell immanenten Stoffen und reell immanenten Auffassungen eine andere als eine ideale Wirklichkeit hervorbringen? Es kann die Stoffe auffassen als etwas anderes darstellend, sei es symbolisch oder abbildlich, das ist ein Gedanke, es kann sie selbst auffassen als transzendente Gegenstände, das ist eine Fiktion.9

12Husserl fragt sich, wie Erkenntnis nicht bloße Illusion sein soll, wenn Gegenstände sich auf Eigentümlichkeiten oder Zusammenhänge des Be­wusstseins reduzieren (Hua XXXVI, 26), und bemerkt: „ein Idealismus, der sozusagen die Materie totschlägt, der die erfahrene Natur für bloßen Schein erklärt und nur das seelische Sein für das wahre erklärt, ist verkehrt“ (Hua XXXV, 276; vgl. Hua XXXVI, 70). Solche Verkehrtheit ist allerdings die unausweichliche Folge der Auflösung der Gegenstände in die Erlebnisse, die nichts anderes als Psychologismus ist. Dieser besteht nämlich darin, dass Gegenstandsarten „psychologisiert werden, weil sie sich, wie selbst­verständlich, bewusstseinsmäßig konstituieren“, d.h. dass „ihr gegenständ­licher Sinn, ihr Sinn als eine Art von Gegenständen eigentümlichen Wesens negiert [wird] zugunsten der subjektiven Erlebnisse“ (Hua XVII, 177f.).

3. Phänomenologie als Psychologie

13Der „Psychologismus“ der Philosophie der Arithmetik besteht aus zwei Lehren Brentanoscher Herkunft: Die formalen Kategorien stammen aus der Reflexion auf Verbindungsakte (Hua XII, 20, 45, 58, 69f., 74, 77, 85) und die innere Erfahrung gilt als entscheidend (ebd. 42, 58, 66). Später gibt Husserl die erste Lehre preis (Hua XIX, 667ff.; Hua III, 246), die auf der Verwechslung vom Begriff eines idealen Gegenstandes mit dem eines psychischen Aktes beruht (Hua XX/1, 295), aber hält an der zweiten fest, indem er der Erlebnisreflexion als immanenter Wahrnehmung „das absolute Recht“ zuerkennt (Hua III, 168).

14In den Logischen Untersuchungen wird einerseits der Psychologismus widerlegt, die Schlusstheorie der Wahrnehmung sowie die Lehre des imma­nenten Gegenstandes erledigt und eine „ontologische Umwendung des Evi­denzgedankens“ (Hua XIX, 243 Anm.) vollzogen, wonach den sinnlichen Wesensgesetzen eine objektive Seinsnotwendigkeit zugehört. Andererseits aber wird die Phänomenologie als deskriptive Psychologie bezeichnet, d.h. als introspektive Analyse psychischer Erlebnisse.

15Der psychologische Ansatz bleibt auch später erhalten, obwohl die Bezeichnung der Phänomenologie als Psychologie seit 1903 abgelehnt wird (Hua XXII, 206f.). Husserl zufolge besteht nämlich zwischen Phänomeno­logie und Psychologie ein derartiger „Parallelismus“, dass man durch eine bloße Einstellungsänderung die Ergebnisse der ersten in die der zweiten umwenden bzw. umwandeln kann (und umgekehrt), insofern Phänomeno­logie und Psychologie denselben Gegenstand sowie dieselbeMethodehaben und sich bloß durch eine „Nuance“ unterscheiden, und zwar durch eine verschiedene Apperzeptionsweise derselben Phänomene: diese sind beider­seits introspektiv zugängliche reell immanente Erlebnisse, aber in der Phäno­menologie werden sie nicht als Vorgänge eines empirischen Bewusst­seins verstanden und setzen also nicht die Geltung der Welt als vorgegebenen Wirklichkeit voraus.10

16Demzufolge ist die transzendentale Phänomenologie nichts anderes als eine apriorische deskriptive Psychologie, die von der Paradoxie der Subjektivität bewusst ist: Dank der eidetischen und der transzendentalen Reduktion besteht ihr Gegenstand aus den Wesensformen der transzendental gereinigten Erlebnisse. Da aber „eidetisch“ und „transzendental“ nicht modifizierende, sondern determinierende Adjektive sind, ist eine eidetische und transzendentale Psychologie immerhin eine Psychologie. Die Tatsache, dass zwischen der gesamten transzendentalen eidetischen Phänomenologie und der deskriptiven eidetischen Psychologie eine Parallelität besteht, weshalb sich jedes „Transzendentale“ im „Psychologischen“ vollkommen spiegelt und umgekehrt, ist also keineswegs „wunderbar“ oder „wundersam“, wie Husserl wähnt (Hua XXXIV, 4; Hua IX, 343), sondern selbst­ver­ständlich, insofern die Phänomenologie von der Psychologie sachlich un­unterscheidbar ist. Zwischen ihnen gibt es nämlich eine „Deckung“ (Hua XI, 343).

17In den Logischen Untersuchungen heißt es, dass die phänomeno­logische Analyse in der Reflexion oder inneren Wahrnehmung besteht, welche die Akte zu Gegenständen macht, weshalb sie einer „widernatür­lichen Anschauungs- und Denkrichtung“ bedarf (Hua XIX, 14). Solche Ansicht hat Husserl nie preisgegeben. Die Behauptung, dass „die Inhalte in der psychologischen Analyse zu Wahrnehmungsobjekten werden“, wird in der zweiten Auflage jenes Werks bloß dahingehend geändert, dass „psychologischen“ durch „reflektiven phänomenologischen“ ersetzt wird (ebd. 202). Geändert wird also nicht die Sache, sondern nur der Name. In den Ideen wird dasselbe vertreten: „die phänomenologische Methode bewegt sich durchaus in Akten der Reflexion“ (Hua III, 162) und bedarf „einer mühsamen Blickabwendung von den […] natürlichen Gegebenheiten“ (ebd. 136). Später behauptet Husserl, dass die Innerlichkeit als „die ,Mutter‘ aller Erkenntnis“ und „aller erscheinenden Objektivität“ gilt und nur dank „einer künstlichen Methode reiner Reflexion“ erfassbar ist (Hua IX, 193f.), die durch „die Blickwendung von dem geradehin Thematischen […] das psychische Leben selbst […] in den thematischen Blick“ bringt (ebd. 307). Da also die „ganz ,unnatürliche‘“ (Hua VIII, 121) transzendentale Einstel­lung aus einer „Introspektion“ besteht (Hua XV, 23), die auf das Bewusst­seinsimmanente, und zwar „auf Empfindung und Auffassung“ gerichtet ist (Hua XXXVI, 129), ist die Methode der Phänomenologie dieselbe der apriorischen Psychologie (Hua XVII, 261). In der Krisis übernimmt Husserl die in den Prolegomena bekämpfte Grundthese des Psychologismus, dass die Psychologie das Feld oder die Stätte der Entscheidungen ist (Hua VI, 212, 218), und bezeichnet die Phänomenologie „als apriorische[] Psychologie, das ist als Wesenslehre der transzendentalen Subjektivität“ (ebd. 268), indem er behauptet, dass die reine oder transzendentale Psychologie mit der transzen­dentalen Philosophie als Wissenschaft der transzendentalen Subjektivität identisch ist (ebd. 261). Denn es geht in beiden Fällen um „die transzenden­tale […] Innerlichkeit“ (ebd. 266).

18Husserls Auffassung der Phänomenologie als Aktreflexion wird — über Brentano — von Lockes psychologischer Deutung der Reflexion als innerer Wahrnehmung geprägt und beruht auf der falschen Annahme, dass psy­chische Akte zum Gebiet der Sinnlichkeit gehören, während sie keines­wegs sinnlich sind und nicht zu Wahrnehmungsobjekten werden können.11

19Obwohl er erkennt, dass „Phänomen“ im eigentlichen und ursprüng­lichen Wortsinn nicht das Subjektive bezeichnet, sondern nur die ontischen bzw. noematischen Gegebenheiten (Hua Mat VII, 64; Hua XXV, 95), legt Husserl der Phänomenologie den noetischen bzw. psychologischen Begriff des Phänomens als psychischen Akts zugrunde (Hua XIX, 765, Hua Mat VII, 65).

20Die ausführlichste Behandlung des Phänomenbegriffs findet sich im 1917 verfassten Aufsatz „Phänomenologie und Psychologie“, wo Phänomen „das Erscheinen und die Erscheinung in sich selbst als Bewusstseinserlebnis, als ,Immanentes‘“ bezeichnet (Hua XXV, 89), also das Bewusstsein und seine immanenten Bestände (ebd. 85, 121). Als „Wissenschaft auf dem zweifellosen Grund der immanenten Reflexion“ (ebd. 87) ist Phänomeno­logie nicht nur „Wissenschaft von den reinen Phänomenen“ (ebd. 98) — d.h. der Phänomene, so wie sie in immanenter Reflexion geschaut sind (ebd. 105), mithin „als Bestand des erfahrenden Bewusstseins“ (ebd. 87) —, sondern auch „Wissenschaft vom reinen Bewusstsein“ (ebd. 100). Es geht dabei darum, durch die reflektive oder immanente Erfahrung das Erleben zu erfahren (ebd. 89). Insofern also die Phänomenologie „ausschließlich auf die Erlebnisse selbst, die Phänomene selbst hinsieht und sich nur durch diese reflektierte Erfahrung ihren Boden geben lässt“ (ebd. 105), ist ihr Thema nicht Wirklichkeit, „sondern erscheinende Wirklichkeit als solche […]: eben das Bewusstsein und Bewusste in sich selbst“ (ebd. 107f.).

21Die diesen Ausführungen zugrundeliegende Annahme, dass das Bewusste oder Korrelat des erfahrenden Bewusstseins immanenter Bestand des erfahrenden Bewusstseins und somit selbst Bewusstsein ist, also dass das Phänomen und selbst die erscheinende Wirklichkeit ein Immanentes oder Erlebnis sind, ist abwegig. Denn im Gegensatz zum Erfahren ist das Erfahrene kein immanenter Bestand des Bewusstseins und im Gegensatz zum Erscheinen der Wirklichkeit ist die erscheinende Wirklichkeit als solche (welche die einzige nicht bloß gedachte und angesetzte, sondern gegebene und somit wahrhaft bestehende Wirklichkeit ist) keineswegs immanent, da sie nicht aus Erlebnissen besteht und nicht Bewusstsein ist.12Phänomene sind nicht immanent. Husserl schreibt: „Durch alle Mannigfaltigkeiten phänome­naler Darstellung geht hindurch, und zwar in der reinen Immanenz des Bewusstseins, die phänomenale Einheit, die Einheit eines ,Phänomens‘. […] Nicht nur die durch den Wandel der Anschauungen bewusstseinsmäßig hindurchgehende anschauliche Einheit, sondern auch die wechselnden Modi ihrer Darstellung, z.B. die immerfort wechselnden ,Anblicke‘ von dem Gegenstand, heißen Phänomene“ (ebd. 84f.). Weder die anschauliche Einheit noch die Modi ihrer Darstellung sind jedoch immanent, da sie ausgedehnte Gehalte sind.

4. Der Status der sinnlichen Inhalte und die Frage nach den Gegebenheitsweisen

22Husserl schließt die sinnlichen Inhalte dadurch in die phänomenologische Forschung ein, dass er sie psychologisiert und für ebenso immanent bzw. erlebt wie die psychischen Akte hält (Hua XIX, 767ff.). Demgemäß betrachtet er die optische Erscheinung als einen „Komplex so und so sich ausbreitender Farbenflächenmomente, die immanent sind“ (Hua XI, 17). Wie kann nun ein sich ausbreitendes Farbenflächenmoment immanent sein? Farbenflächen sind farbig, ausgedehnt und damit räumlich, also prinzipiell nicht immanent. Immanente Daten sind nicht farbig, nicht ausgedehnt, also prinzipiell nicht räumlich. Wenn Husserl sagt, Farben seien ausgedehnt oder ausgebreitet, heben sich vom Hintergrund durch Kontrast ab und schließen sich zu einem sinnlichen Feld zusammen, so spricht er keineswegs von reell immanenten Daten, denn diese können nicht eine Ausdehnung oder Ausbreitung aufweisen, sich von einem Hintergrund durch Kontrast abheben und sich zu sinnlichen Feldern zusammenschließen. All das sind Eigen­schaften, die mit der Bewusstseinsimmanenz unverträglich sind.13

23Das Bestehen immanenter bzw. ausdehnungsloser Farben wird durch ein ontologisches Wesensgesetz ausgeschlossen: „eine Farbe kann nicht ohne eine gewisse, durch sie überdeckte Ausdehnung sein“ (Hua XIX, 257). Von einer immanenten Farbe gilt also dasselbe, was Husserl von einem runden Viereck sagt, wenn er die Lehre von einem immanenten Gegenstand widerlegt: Derartiges kann weder in noch außer der Vorstellung existieren (Hua XXII, 310), also weder innerhalb noch außerhalb des Bewusstseins. Da allerdings Husserl den psychologischen Immanentismus nicht preisgibt, meint er, die angeschaute Farbe sei der Vorstellung immanent und existiere als reeller Bestandteil der Vorstellung (ebd. 309f.). Das führt dazu, die angeschaute Farbe (die sowenig wie der angeschaute Gegenstand im Erlebnis reell beschlossen ist) als den reellen Inhalt der Vorstellung anzusehen: Neben dem vorgestellten, wahrgenommenen und transzendenten Inhalt besteht nämlich ein erlebter, empfundener und immanenter Inhalt, aus dem der transzendente durch Auffassung zustande kommt.14 Empfindungsdaten gelten demnach als ursprüngliche immanente Gegenstände, die in der Genesis „zunächst thematisch gewesen“ sind und als „Enden“ fungiert haben, aber diesen „Gegenstandscharakter“ nach der Konstitution einer Welt verloren haben, da er in Verfall geraten ist „durch beständiges und ausschließliches Fungieren als Durchgang“ (Hua XXXIX, 17).

24Husserl selbst sieht ein, „dass die Rede von Daten und dann Auf­fassungen den Gedanken eben von im Voraus schon seienden Gegen­ständen, die nachkommend in Funktion genommen werden, mit sich führt“ (ebd. 16 Anm. 2). Insofern immanente Farben prinzipiell nicht bestehen, besteht auch kein Übergang von immanenten, ausdehnungslosen und empfundenen Farben zu transzendenten, ausgedehnten und wahrgenom­menen Farben. Wird aber ein reell Immanentes als Grundschicht sinnlicher Konstitution angesetzt, dann findet diese durch Übergang vom Immanenten zum Trans­zendenten statt, der entweder als Projektion oder als Schluss auszulegen ist.

25Da Immanentes prinzipiell keine Ausdehnung besitzt, während sinnliche Gegebenheiten wesensnotwendig ausgedehnt sind, können letztere nicht immanent sein. Soweit also die Phänomenologie sinnliche Gegeben­heiten zum Thema hat, beschäftigt sie sich keineswegs mit Immanentem und beruht nicht auf immanenter Wahrnehmung. Demzufolge besteht kein Parallelismus zwischen Phänomenologie und Psychologie.

26Die Reduktion ist demgemäß nicht als Reduktion auf die Immanenz bzw. auf das Bewusstsein, sondern als Reduktion auf das Gegebene oder Erscheinende zu verstehen, das im Gegensatz zum Gedachten oder Angesetz­ten steht: Nach der Reduktion besteht nur das Sein der Phänomene, welches das Sein von einem Ausgedehnten, und nicht von einem reell Immanenten ist, da Phänomene keineswegs im Bewusstsein, sondern im anschaulichen Raum liegen. Um das ausgedehnt Erscheinende in ein reell Immanentes zu verwandeln, wäre eine Art Transsubstantiation erforderlich.

27Dass „Erscheinungen […] der tragende Urgrund des Baus (der Konstitution) der Objektivität“ sind (Hua XLII, 149), trifft in einem nicht psychologischen Sinne zu, nur wenn „Erscheinung“ als das sinnlich Erschei­nende verstanden wird, das nichts Noetisches, Erlebtes, Geistiges und somit Subjektives ist. Alles Bewusste ist zwar dem Bewusstsein gegeben, aber nicht darum im Bewusstsein reell beschlossen, denn „für mich ist, was ich selbst nicht bin, aber was in meinem Sein […] bewusst habe als Nicht-Ich“ (Hua Mat VIII, 361). Das Nicht-Ich bildet gerade den „nichtsubjektiven Kern“ der Konstitution (ebd.), der aus ichfremden sinnlichen Inhalten in sinnlichen Feldern besteht (ebd. 188f., 199, 295; Hua XXXIX, 432). Das unmittelbar Gegebene, das als Grundlage der Konstitution und Erfahrungs­basis der Erkenntnis gilt, besteht also nicht aus immanenten (psychischen) Reflexions- und Empfindungsinhalten, sondern aus transzen­denten (räum­lichen) Wahrnehmungsinhalten. Da sinnliche Wesensgesetze die sachliche Struktur solcher Inhalte betreffen, haben sie mit Innerlichkeiten nichts zu tun.Die Wesensbeschreibung des sinnlich Gegebenen gehört also nicht zur Psychologie, sondern zur Ontologie.

28Anders als Husserl meint, sind die Gegebenheitsweisen nicht subjektiv und noetisch. Denn sie gründen in der ontologischen Beschaffenheit des Wasgehaltes und wechseln mit ihr. Dass ein Ton ohne Klangfarbe nicht gegeben sein kann, hängt von der Eigenart des Tons ab, nicht vom Subjekt, dem der Ton gegeben ist. Dass ein sinnlicher Gegenstand erst durch perspek­tivistische Abschattungen gegeben sein kann, hängt von seinem Wesen ab, nicht vom Bewusstsein. Und „diese Abschattungen sind nicht Empfindungs­inhalte, sondern […] in Empfindungsmannigfaltigkeit sich dar­stellende Einheiten“ (Hua XLI, 73), mithin noematische bzw. ontische Gehalte (Hua III, 89, 616f.; Hua IV, 127).Gegenstände existieren erst „im ontischen Wie der Gegebenheit“ (Hua XIV, 383), da sie vom faktischen, aber nicht vom möglichen Gegebensein unabhängigsind (Hua II, 12). Weit entfernt davon, an sich zu bestehen, gilt demgemäß ein realer Gegenstand, der kein mög­liches Phänomen ist, genau so wie ein rundes Viereck.

29Sind die sinnlichen Phänomene das reale Sein, dann sind die sinn­lichen Erscheinungsweisen Seinsweisen und die Phänomenologie fällt mit der Ontologie zusammen.

30Erst aufgrund der verkehrten Auffassung, wonach die wirklichen Gegenstände uns sinnlich gegeben sind, aber an sich nicht sinnlich sind, können die Gegebenheitsweisen als subjektiv angesehen werden. Gegen solche Auffassung, die zur Bildertheorie führt, behauptet Husserl, Sinnlich­keit sei kein „trübendes Medium, welches statt den Dingen an sich bloße Erscheinungen derselben gibt“ (Hua Mat III, 172). Äußere Erfahrung ist nämlich „der Modus der Selbsthabe von Naturobjekten“ (Hua XVII, 170), weshalb „das in der Wahrnehmung wahrgenommene Ding das Ding selbst ist, in seinem selbsteigenen Dasein“ (ebd. 287). Das wahre Sein der Dinge ist ihre Selbstgegebenheit, nicht ein Jenseits der möglichen Erfahrung (Hua XXXV, 276f.; Hua XXXVI, 67f.). Insofern also die Realität sinnlich ist und„so geartetes Sein nur so zur Gegebenheit gebracht werden kann“ (Hua XIII, 10), ist die Unbestimmtheit ein ontologisches Merkmal des Realen: Diese ,,Relativität“ übersteigen zu wollen, führt zu einer „Mystik“ (Hua XXIX, 267). Die Überwindung der subjektiven Relativitäten durch die objektive Theorie ist eine „angebliche“, da letztere ihre Prämisse und Evidenzquellen im Subjektiv-Relativen hat (Hua VI, 135f.). Subjektiv sind ja eigentlich nicht die sinnlichen Gegebenheiten der Erfahrung, sondern die theoretischen bzw. gedanklichen Substruktionen der Wissenschaft. Denn die ersten bestehen in der Wirklichkeit, die zweiten bloß in der Theorie bzw. im Denken.

31Die hier implizierte Gleichstellung des Realen mit dem Sinnlichen wird vor der transzendentalen Wende behauptet (Hua XIX 679, 703; Hua Mat III, 168ff.) und führt keine Ablehnung der Transzendenz und des An-sich-seins vom Ding mit sich, das gerade als real von der faktischen, aber nicht von der möglichen Erfahrung unabhängig ist.15 Denn jede Gegen­ständlichkeit „ist, was sie ist, ob erkannt wird oder nicht“, aber ist „prin­zipiell erkennbar, auch wenn sie faktisch nie erkannt worden ist und erkenn­bar sein wird“ (Hua II, 25), und bei den realen bzw. sinnlichen Gegenständen fällt die Erkennbarkeit mit der Erfahrbarkeit zusammen.

32Zu einem Subjektiven und Bewusstseinsimmanenten werden die sinnlichen Phänomene, wenn angenommen wird, dass die Wirklichkeit hinter ihnen liegt und aus ihnen zu schließen ist. Die Phänomenologie stellt die Umwälzung dieses erklärenden Ansatzes dar.Sofern sie die sinnlichen In­halte als immanent betrachtet, bleibt sie daher an dem gebunden, aus dessen Weigerung sie stammt. Denn „idealism does not radically replace naturalism. In order to overcome naturalism radically, one also has to reject the principle of immanence and the epistemological problem of the external world which is implied by it“.16 In der ersten Formulierung von 1902/03 betrifft die transzendentale Frage gerade „Sinn und Berechtigung der Annahme einer ,Außenwelt“‘ (Hua Mat III, 79). Und nur sofern er die naturwissenschaftliche Weltanschauung übernimmt, kann Husserl behaupten: „Das allein prinzipiell über Physik Hinausgehende sind die Erlebnisse organischer Wesen, <ist> die Beseelung“ (Hua XLII, 141). Das ist falsch, weil das physikalische Ding ein bloß Ideales ist, und zwar „eine nicht wahrnehmbare […] Einheit“, die „denkend den Erscheinungseinheiten unter­legen wird“ (ebd. 149). Deswegen ist die sinnliche Welt „die einzig wirkliche“ (Hua VI, 49), während die Welt der Wissenschaft die „theoretisch-logische Substruktion […] eines prinzipiell […] nicht Erfahr­baren“ ist, denn die objektiven Feststellungen der Wissen­schaft sind „nie selbst Erfahrungen von dem Objektiven“, weil dieses — genau so wie ein metaphysisch Transzendentes — „als es selbst nie erfahrbar“ ist (ebd. 130f.). Da die erklärende Wissenschaft das Sinnliche bzw. Reale in nichtsinnliche bzw. ideale Denkbestimmungen auflöst, hat sie keine ontologische Tragweite. Diese gehört erst der Wesensbeschreibung der Erfahrungswelt zu.

33Husserl charakterisiert die Bewusstseinswissenschaft gegenüber der objektiven Wissenschaft folgendermaßen: Sie behandelt nicht, „was die Gegenstände […] sind“, sondern,„wiedas Erkennen aussieht“, mithin „jederlei Objektives als Objektives des Bewusstseins und als in subjektiven Modis sich Gebende“, indem sie die „Erscheinungsweisen von Raumdingen“ zum Thema macht, und zwar die „subjektiven Unterschiede des Hier und Dort, des Rechts und Links, […] der Gestalt und Farbenperspektive […] als subjektive Weisen, wie Objektives dem Erfahrenden […] sich darbietet und darbieten muss“ (Hua VII, 50). Wie das Erkennen aussieht, hängt jedoch davon ab, was die Gegenstände sind, und die Weisen, wie Objektives dem Subjekt sich darbietet, gründen im jeweiligen Wesen des Objektiven. Die Unterschiede des Hier und Dort, des Rechts und Links, der Gestalt und Farbenperspektive sind nicht immanent und zum Bewusstsein gehörig, sondern räumlich und zum realen Gegenstand gehörig: Ein Raumding kann nur perspektivischund in einer räumlichen Orientierunggegeben sein, da es räumlich ist. Es geht dabei um „eine prinzipielle Notwendigkeit“ (Hua XXV, 92), die nicht im Bewusstsein, sondern in der Natur der Dinglichkeit gründet. Die Möglichkeit eines Blicks von nirgendwo“ wird durch ontologische Wesensgründen ausgeschlossen: Genauso wie ein rundes Viereck kein Viereck ist, ist ein Blick von nirgendwo kein Blick und wenn die perspek­tivistischen Abschattungen beseitigt werden, dann wird selbst der reale Gegenstand beseitigt.

5. Der Begriff der Konstitution

34Neben einem psychologischen Begriff der Konstitution, wonach diese an der subjektiven Auffassung hängt, besteht bei Husserl ein eidetischer Begriff der Konstitution, wonach diese an der Besonderheit des Wasgehalts hängt.

35Da die reale Welt nichts anderes als das Korrelat einstimmiger Erfahrung ist (Hua VIII, 457), fallen ihre Möglichkeitsbedingungen mit den Bedingungen einstimmiger Erfahrung zusammen. Die Einstimmigkeit kann jedoch nicht von uns in die sinnlichen Erscheinungen hineingelegt werden, sondern ist auf das Faktum angewiesen, „dass das Urmaterial gerade so verläuft in einer Einheitsform“ (Hua XV, 385).

36Dass Bewusstsein existieren kann, ohne dass eine transzendente Rea­lität ist, besagt nur, dass wir die immanente Zeit willkürlich beset­zen können, so dass keine Natur konstituiert wäre (Hua XXXVI, 78f.). Denn das Bewusstsein als Strom von Erlebnissen bleibt bestehen, auch wenn die die Zeitform erfüllenden Inhalte sachlich zusammenhangslos sind, so dass ihr Lauf keine Dingapperzeption ermöglicht, wie das im Traum öfters der Fall ist. Dass Bewusstsein ohne Welt bestehen kann, heißt also bloß, dass formale bzw. zeitliche Synthesen (die unabhängig vom Inhalt sind) ohne sachliche bzw. assoziative Synthesen (die vom Inhalt bedingt werden) bestehen können.17 In diesem Fall gäbe es eine bewusste Koexistenz und Sukzession von Erscheinungen, aber keine Apperzeption und somit keine seiende Welt könnten sich konstituieren. Das Bewusstsein — ob transzendentales oder empirisches — kann nämlich nicht sachliche Verbindungen erzeugen: Damit eine nicht bloß formale Einheit sich konstituieren kann, „muss im erfüllenden Inhalt Kontinuität der Ähnlichkeit statthaben. Es müssen inhaltliche Be­dingungen der Assoziation nach Koexistenz und Sukzession erfüllt sein“ (Hua Mat VIII, 9). Assoziative Verbindungen haben „sachliche[] Be­dingungen“ (Hua XI, 165), denn sie gründen in Ähnlichkeitsverhältnissen und diese sind „wesensgesetzliche Zusammenhänge“ (ebd. 400), d.h. Ideen­relationen […], weil sie rein in den ,Inhalten‘ der Vorstellungen fundiert sind“ (EU, 215). Ähnlichkeit gehört demgemäß zu den „Vor­bedingungen des Inhalts“ (Hua XI, 180) und liegt aller Apperzeption zugrunde (Hua XXXIX, 419). „Die sinnliche Ähnlichkeit und der sinnliche Kontrast (der seinerseits eine Ähnlichkeit voraussetzt) ist die Reso­nanz, die jedes einmal Konstituierte begründet“ (Hua XI, 406).

37Was eine objektive Welt ergibt, ist die sachliche Wesensgesetzmäßig­keit vorgegebener sinnlicher Inhalte. Gegens­tände sind zwar das Korrelat möglicher subjektiver Akte, aber das Subjekt kann Gegenstände in seinen Akten fassen, nur wenn die Erscheinungsinhalte eine sachliche Kongruenzaufweisen. Keine subjektive Leistung kann nämlich bewirken, dass eine sachlich zusammenhangslose Folge von Erscheinungen gegen­ständlich erfahren wird: Die vom Subjekt erzeugten Zusammenhänge sind nicht real, sondern ideal, und können also nicht gegeben, sondern bloß gedacht werden. Deshalb sind in der Naturkonstitution die Seite der erkennenden Wesen und die der Natur selbst auseinander zu halten (Hua XXX, 309) und neben einer „Ichverrücktheit“ ist eine „Weltverrücktheit“ anzusetzen (Hua XXXIX, 479). Denn das Bewusstsein könnte vollständig ausges­tattet sein, um ver­nünftig erken­nen zu können, aber sein fakti­scher Inhalt könnte nicht rationalisierbar sein, weil „ein ,sinnloses Gewühl‘ da ist, das in sich keine Natur zu erken­nen gestattet“ (Ms. D 13 II/200b), d.h. weil aufgrund von „nicht nur für uns, sondern an sich unausgleichbaren Wider­streiten“ die Dingsetzungen nicht einstimmig durchzuhalten sind (Hua III, 103).

38Die transzendentalen Bedingungen der Konstitution einer objektiven Welt liegen also nicht nur darin, dass das Bewusstsein das Vermögen hat, eine Gegenstandsapperzeption in ihren Akten zu konstituieren, son­dern auch darin, dass der faktische Inhalt und der faktische Verlauf der Erscheinungen es sachlich zulassen. Die in § 32 und 65-66 derProlegomena in Bezug auf die logische Erkenntnis formulierte Unterscheidung zwischen noetischen bzw. in den Akten gegründeten und objektiven bzw. im Inhalt gegründeten Bedingungen der Möglichkeit gilt demnach selbst für die Weltkonstitution.

39Die „Konstitution eines Gegenstandes als Sinnes ist […] eine Be­wusstseinsleistung, die für jede Grundart von Gegenständen eine prinzi­piell eigenartige ist“ (Hua XI, 19), da sie der „Besonderheit“ des jeweiligen Seienden zugehörig ist (Hua XVII, 251). Sie ist demnach nicht auf die subjektive Auffassung, sondern auf die sachliche Eigenart des Objekts zurückzuführen, die den „Mannigfaltigkeiten von Erscheinungen Regeln“ bzw. „eine bestimmte Organisation ihrer Verläufe“ vorschreibt (Hua III, 350). Was für subjektive Akte und Bewusstseinssynthesen den Gegenstand zur Gegebenheit bringen, hängt von der Natur des Gegenstands ab. Die Subjektivität ist demgemäß der Ort der Ausweisung, aber nicht das Prinzip der Konstitution, die im jeweiligen Wasgehalt liegt.18

40Um der Weltkonstitution gerecht zu werden, ist also der wesens­gesetzlichen Struktur faktisch gegebener Wasgehalte nachzugehen. Solche Struktur könnte zwar ohne bestimmt geartete Akte nicht erfasst werden, aber sie wird von den Akten nicht gestiftet, weil sie in der Natur der Wasgehalte selbst gründet. Um einen sinnlichen Ähnlichkeitszusammenhang oder die Verbindung von Ton und Klangfarbe einzusehen, hat es keinen Sinn, sich dem Subjekt zuzuwenden, da es dabei um relations of ideas geht, d.h. um Zusammenhänge, die mit den betreffenden Inhalten gesetzt sind und sich nicht verändern, solange sich die Inhalte nicht verändern. Dass solche Zusammenhänge vom Subjekt erfasst und ausgewiesen werden, impliziert keineswegs, dass sie subjektiv sind. Eine Ideenrelation auf das Subjekt zurückzuführen, das sie in seinen Akten erfasst und ausweist, ist Psycho­logismus.19 Soll der Psychologismus vermieden werden, ist also die koperni­kanische Umdrehung umzukehren und eine Wendung zum Objekt zu voll­ziehen. Die apriorischen Zusammenhänge zwischen den sinnlichen Inhalten sind auf ihren sachlichen Grund zurückzuführen, der nicht jenseits der Erfahrung liegt, sondern in der Wesensbesonderheit solcher Inhalte selbst besteht. Dadurch wird die Objektivität auf den Kopf, oder vielmehr vom Kopf, auf dem sie stand, wieder auf die Füße gestellt. Obwohl nämlich die Objektivität vom Subjekt ausgewiesen wird, gründet sie im Objekt.20

41Die reale Welt ist kein Aufbau des Subjekts, weil ihre apriorische Struktur nicht aus subjektiven Leistungen stammt, sondern aus Wesens­zusammenhängen, die in der Natur gegebener Inhalte gründen. Der Verstand ist demnach nicht der Gesetzgeber der Natur: „erkennen wir begrifflich denkend und einsehend Gesetze, so sind wir nicht Gesetzgeber und die Dinge an sich ohne Gesetze, sondern der Welt selbst als seiender gehören die Gesetze zu, von ihr in ihrem Sein unabtrennbar“ (Hua XXXII, 92).

42Dieser Ansatz ist keineswegs naiv. Denn naiv ist nicht zu meinen, dass Erfahrung eine sachliche Gesetzmäßigkeit besitzt, die in der Eigenart sinnlicher Wasgehalte gründet und vor dem Eingreifen des Subjekts gegeben ist. Naiv ist vielmehr zu meinen, dass wir die Gesetzmäßigkeit durch Form­gebung stiften und in die Erscheinungen hineinlegen, d.h. dass wir materiale Ideenrelationen erzeugen. Solcherart sind nämlich die apriorischen Zusam­menhänge, denen die Erfahrung eine Struktur verdankt.

6. Der Vorzug der noematischen Analyse

43Sukzessive und zumal von der Ausarbeitung der genetischen Phänomeno­logie an gewinnt die noematische Analyse einen Vorzug vor der noetischen in Husserls Werk. In den 1920er Jahren sagt er, dass die intentionale Analyse „in noematischer Hinsicht“ durchgeführt wird (Hua I, 84): Da sie der „noematische[n] Intentionalität“ (Hua XVII, 215) nachgeht, besteht sie in der „Enthüllung der intentionalen Implikationen“ (ebd. 216, 252), also in der Explikation des Sinnes oder Horizonts der Wahrnehmung (Hua I, 84; Hua IX, 318f.). Die Noematik studiert nämlich die Gegenstände „im Wie der Erscheinungsweisen“, d.h. „ihren gegenständlichen Sinn in seiner Struktur“ (Hua XI, 333). Denn die Regeln, wonach sich im Erscheinungsverlauf ein Objektives konstituiert, können nur die Erscheinungen selbst durch Aus­einanderlegung ihrer Struktur zeigen (Hua VII, 218 Anm. 1).

44Husserl erläutert zugleich, dass es dabei nicht um „eine[] bloß naive[] Hingabe an den intentionalen Gegenstand rein als solchen“ und eine „nur geradehin“ Beschreibung von ihm geht, weil man zugleich die noetische Intentionalität — d.h. „das anonyme cogitierende Leben“ bzw. „die noe­tischen Mannigfaltigkeiten des Bewusstseins“ — zum Thema machen muss, vermöge deren „in der Immanenz des Bewusstseins […] stehende und bleibende gegenständliche Einheiten bewusst werden können“ (Hua I, 84–86). Denn im subjektiven Leisten ist nur die gegenständliche Leistung thematisch und die Phänomenologie muss eben das leistende Tun heraus­stellen, das im Gegensatz zur Tat anonym bleibt.

45Die noetische Intentionalität gründet jedoch in der noematischen Intentionalität, d.h. in den Verweisungen der Gegebenheiten auf andere Gegebenheiten, die den Gegebenheiten selbst entspringen, „schon bevor das Ich sich ihnen rezeptiv zuwendet“.21 Sinnliche Akte gelten nämlich als eine „Antwort“ des Ich auf einen affizierenden Reiz,22 da sie „motiviert durch Affektionen“ sind (Hua XI, 342), wobei„Affektion“ im „Sinn des Reiz übenden Gegenständlichen, z.B. <des> sinnlich gegebenen Dings“ zu verstehen ist (Hua XLII, 170). Sie setzen also vorgegebene passiv konsti­tuierte Einheiten voraus (Hua Mat VIII, 47, 183; Hua XXXVII, 287): „Was ,sachlich‘ sozusagen ohne Ichbeteiligung eins ist […], das übt auch eine Affektion“ (Hua Mat VIII, 195). Kontrast- und Ähnlichkeitsverhältnisse bilden demzufolge die „Bedingungen der Möglichkeit von Intention und von Affektion“ (Hua XI, 285). Nicht die geistigen Funktionen bestimmen die sinnlichen Strukturen, sondern es sind diese, die jene ermöglichen.23

46Sinnliche bzw. reale Gegenstände haben demnach eine „passive Genesis“ und konstituieren sich durch eine Synthesis, die „vor allem aktiven Denken“ liegt (Ms. B IV 12/2a). Denn im Gegensatz zu den idealen Gegenständen, die „vom Ich erzeugt[]“ werden und „aus Ichakten“ stammen, sind sie „ichfremd“ und „ohne Beteiligung des Ich und seines Tuns gegeben“ (Hua XIII, 427) bzw. „passiv vorgegeben“ (Hua XI, 291), also „gewisser­maßen schon vor dem Erfassen ursprünglich da“ (Hua XXXIX, 40).

Nun sind freilich auch äußere Objekte für uns ursprünglich da nur im subjektiven Erfahren. Aber sie treten darin auf als schon im voraus daseiende („vorhandene“) und nur in das Erfahren eingehende. Sie sind nicht wie die Denkgebilde […] für uns da aus unserer eigenen Denkaktivität und rein aus ihr […]. Dinge sind dem tätigen Leben ursprünglich ichfremd vorgegeben, von außen her gegeben. Die logischen Gebilde hingegen sind ausschließlich von innen her gegeben, ausschließlich durch die spontanen Tätigkeiten und in ihnen (Hua XVII, 85f.).

47Das Erfassen sinnlicher Gegenstände ist demgemäß „ein bloßes Rezipieren eines vorkonstituierten Sinnes“ (Hua XXXI, 41), d.h. eines Sinnes, der nicht vom Subjekt aktiv gestiftet wird, sondern aus den sachlichen Zusammen­hängen zwischen den sinnlichen Inhaltenpassiv (d.h. unhabhängig vom Eingreifen des Subjekts) erwächst. Es geht dabei nicht um Sinngebung, sondern um Sinnesaufnahme.

48Gerade weil es bei der passiven Synthesis um eine Verbindung geht, die nicht von einer synthetischen Tätigkeit geschaffen wird, sondern aus der Natur der Inhalte selbst entspringt, bezeichnet Husserl die passive Konstitution als ein „sachliches Geschehen“ sowie als etwas, das sich „von selbst“ macht, indem er erläutert, dass passive Geschehnisse „von selbst laufen“ und nur im Sinne „subjektiv“ sind, dass sie immer aktivierbar sind durch Zuwendung des Ich.24 Denn in der Passivität sind sinnliche Inhalte „verbunden, aber keine Aktivität hat sie verbunden, d.i. synthetisch verknüpft. […] Das synthetisch-aktive Bewusstsein (Akt in einem prägnan­ten Sinn) setzt das sinnli­che Verbindungsbewusstsein voraus“ (Hua XLI, 128). Sinnliche Verbindungen werden durch die Inhalte bedingt und stellen die Möglichkeitsbedingung subjektiver Akte dar.

49Auf die Wahrnehmung zu reflektieren, heißt also nicht, den Blick auf immanente Empfindungsinhalte und auf ebenso immanente Auffassungsakte zu wenden, die solche Inhalte durchgeistigen und den transzendenten Gegenstand ergeben. Solche noetische Reflexion ist nichts anderes als die psychologische Introspektion und beruht auf falschen Voraussetzungen. Denn in der Wahrnehmung sind transzendente Gegenstände nicht durch Vermittlung reeller Bestände gegeben. Letztere sind theoretische Konstrukte und besitzen also keinen anschaulichen bzw. deskriptiven Gehalt, weshalb deren Ansetzung dem phänomenologischen Ansatz widerspricht. Was wirklich und wahrhaft existiert, ist das unmittelbar „vor allem theoreti­sierenden Denken Gegebene[]“ (Hua III, 45). Da reelle Bestände das unmittelbar Gegebene erklären sollten, aber nicht selbst unmittelbar gegeben sind, existieren sie nicht in der Wirklichkeit, sondern nur in den Theorien. Eine sinnliche Gegebenheit stammt nicht aus der Auffassung reell immanenter Bestände, sondern aus Synthesen und Verschmelzungen anderer sinnlichen Gegebenheiten.25

50Auf die Wahrnehmung zu reflektieren, heißt, auf die Weise zu reflektieren, wie sich sinnlich vorgegebene Erscheinungsinhalte durch ihre sachliche Eigenart zu einer einheitlichen Abgehobenheit zusammen­schließen, welche das Ich affiziert, dessen erfassende Zuwendung motiviert und somit das Bewusstsein von einem Gegenstand ergibt. Es geht dabei um eine noematische bzw. ontische Reflexion auf die sachliche Wesensstruktur ichfremder Gehalte, die den Motivationsgrund des Vollzugs von intentiona­len Akten bildet. Denn „phänomenologische Feststellungen unter dem Titel einer Phänomenologie der äußeren Wahrnehmung […] beruhen nicht auf ,innerer‘ oder ,Selbsterfahrung‘, sie beruhen ebensowenig auf transzendental reduzierter immanenter Erfahrung“, sondern bloß auf dem, „was an wesensgesetzlichen Verhältnissen […] [im] Wesen [der äußeren Wahr­nehmung und ihrer Sonderarten] gründet“ (Hua XXV, 113).

7. Phänomenologie als Ontologie. Die Idee einer transzendentalen Ästhetik

51Die Phänomenologie ist nicht als deskriptive Psychologie, sondern als deskriptive Ontologie, zu verstehen.

52Als die „eigentlichen“ Ontologien gelten Husserl die materialen, die sich mit sinnlich vorgegebenen Wesen beschäftigen, da das formale Wesen und die formale Region leere Formen sind (Hua III, 26). Die Logik oder formale Ontologie betrifft die Gegenstände, sofern sie durch kategoriale Urteilsformen gedacht werden, die keine sachlichen Formen des Gegebenen sind, sondern aus der Denktätigkeit des Subjekts stammen, und somit keine reale Bedeutung haben.26

53Husserls Auffassung der materialen Ontologie liegen zwei Unterschei­dungen zugrunde, die in der III. logischen Untersuchung formuliert werden: (1.) Die Unterscheidung zwischen exakter und mor­phologischer Gesetz­mäßigkeit (Hua XIX, 249) bzw. zwischen mathematischer und „ästhetischer Logifizierung“: bei letzterer werden „die Typen logifiziert, ohne dass eine ,exakte‘ Idealisierung miterfolgt“, da die Variation innerhalb einer nicht exakten, sondern typischen Allgemeinheit stattfindet (Ms. B I 32/15b); (2.) Die nicht in der Vorstellungsweise des Subjektes, sondern im Wesen der Inhalte gegründete „objektive Unterscheidung“ (Hua XIX, 240) zwischen selbständigen Inhalten, die für sich bestehen können, und unselbständigen Inhalten, die nur als Teile umfassenderer Ganzen von gewisser Art existieren können, da deren Existenz die Existenz anderer Inhalte von gewisser Art voraussetzt.

54Die materialen Wesensgesetze, welche die Strukturverhältnisse zwischen den Wesensarten der sinnlichen Inhalten regeln und die Ganzen bestimmen, in denen solche Inhalte objektiv bestehen können, sind also ontologische Gesetze.27Sie sind zweifellos trivial, aber eine Theorie, die ihnen widerspricht oder sie auf etwas anderes als die Eigenart der betref­fenden Wasgehalte zurückführt, ist zweifellos grundverkehrt.

55Durch die materialen Wesenszusammenhänge ist die Welt vor allem Denken in der bloßen Erfahrung gegeben und hat eine von der exakt-wissenschaftlichen verschiedene Struktur28. Dinge bzw. reale Gegenstände sind individuelle oder erste Substanzen, d.h. sinnliche Ganzen, die in der Natur ihrer unselbständigen Teile gründen. Sie bestehen nur aus Eigenschaf­ten, aber diese sind nicht ein Bündel, sondern eben ein Ganzes. Demzufolge löst sich die Substanz nicht in einen Inbegriff von Qualitäten auf, aber sie ist auch kein jenseits der Erfahrung Liegendes, sondern bildet die „Einheit des Realen“ (Hua XLI, 276), die nicht durch Denktätigkeit gestiftet wird, sondern unabhängig vom Eingreifen des Subjekts besteht, da sie aus der Eigenart ihrer Fundamente stammt (ebd. 66, 92). Die reale Welt selbst ist „ein Ganzes, das alle Ganzen und alle etwaigen unteilbaren Realitäten in sich trägt in Verbundenheit“ (ebd. 261): „Die Welt als Universum der Realitäten […] ist nicht ein bloßes Zusammen von Realen, deren jedes Einzelne seine Wesensform erhält, son­dern […] hat die Form eines ,Ganzen‘. Die einzelnen Realen können nur reale Wirklichkeiten sein, wenn sie […] eine gewisse Form der realen Verbundenheit innehalten“ (ebd. 377). Deshalb ist die Ontologie nichts anderes als die morphologische „Wissenschaft von den Ganzen als Ganzen“ (ebd. 261), d.h. „von der Wesensgestalt einer Welt überhaupt und in Konsequenz von all den in ihr beschlossenen und durch sie mitgeforderten Sondergestalten“ (Zeit, Raum und Kausalität) (ebd. 262).

56Die Ontologie besteht also weder in der Analytik des Verstandes noch in der Darstellung Gottes vor der Schöpfung, sondern in der Wesens­beschreibung der Erfahrungswelt, d.h. in der deskriptiv-eidetischen Aus­einanderlegung des unmittelbar Gegebenen, das ein Angetroffenes und kein Immanentes ist. Husserl spricht gerade von einer Ontologie der Welt rein als Welt der Erfahrung bzw. einer Wesenslehre der Lebenswelt (Hua VI, 176, 144).29 Dabei geht es um einen „Rückgang auf die vor allen Wissenschaften und ihren theoretischen Intentionen liegende Welt als Welt vortheoretischer Anschauung“ (Hua IX, 56), d.h. auf „die Welt als die und so wie sie in wirklicher Erfahrung sich gibt, die ,Welt der Sinnlichkeit‘“ (Hua VI, 360). Solcher Rückgang ist ein Rückgang auf die Wirklichkeit, denn die sinnliche Erfahrungswelt ist „die einzig wirkliche […] Welt“ (ebd. 49) und „bleibt, als sie ist, in ihrer eigenen Wesensstruktur, in ihrem eigenen konkreten Kausalstil ungeändert, was immer wir kunstlos oder als Kunst tun“ (ebd. 51).

57Die Erfahrungswelt bleibt „wesensmäßig dieselbe“ (ebd. 386), da sie in ihrem historischen Wandel bzw. in allen ihren Relativitäten eine invariante und irrelative allgemeine Struk­tur besitzt.30 Denn unhabhängig von der Weltauffassung weisen die gegebenen Gegenstände eine zeitliche und eine räumliche Gestalt sowie einen kausalen Stil auf. Was der Welt „ihre Identität und Wirklichkeit gegenüber den wechseln­den Weisen der Apperzep­tion“ gibt (Hua XV, 167), ist solche „absolut identische objektive Struktur“, die als „Unterschicht aller Realitäten“ gilt (Hua XXXIX, 297f.). Die „,ästhetische Wesensform“ (ebd. 685) der Welt gilt demnach als das überzeitliche bzw. ungeschichtliche Apriori der Geschichte, das den nicht geschichtlich relativierbaren Grund aller geschichtlichen Relativierung bildet.31

58Wie Husserl im Brief an Lévy-Bruhl vom 11.III.1935 bemerkt, sind die Menschen zwar Subjekte ihrer Welt, da jede Gemeinschaft ihre Welt­vorstellung, also ihre Logik und ihre Ontologie hat, aber diese anthropologische Betrachtung setzt „die elementare Grammatik von Bildung von ,Objekten‘“ voraus. Mit solcher Grammatik beschäftigt sich die aprio­rische oder transzendentale Ästhetik, die mit der Ontologie der Erfahrungs­welt zusammenfällt (ebd. 692; Hua XLI, 346).

Sie behandelt das eidetische Problem einer möglichen Welt überhaupt als Welt der möglichen Erfahrung, […] also die eidetische Deskription des universalen Apriori, ohne welches in bloßer Erfahrung und vor den kategorialen Aktionen […] einheitlich Objekte nicht erscheinen können und so überhaupt Einheit einer Natur, einer Welt sich als passive synthetische Einheit nicht konstituieren könnte (Hua XVII, 297).

59In der transzendentalen Ästhetik wird eine Beschränkung auf Wahrnehmung durch Ausschluss des urteilsmäßigen Wissens vollzogen (Hua XI, 295), um „das Ontische in seiner ont<ischen> Wesensart, wie es in der Erfahrung selbst beschlossen ist, herauszustellen“ (Hua XLI, 346) und die sachliche Struktur herauszufassen, die das als ichfremd Erfahrene vor der Denktätig­keit, d.h. vor dem Eingreifen des Subjekts aufweist. Als erfahren gilt dabei

nur das, was uns passiv vorgegeben oder vorzugeben ist und was wir in der bloßen Aktivität des Erfassens, der „Rezeptivität“, uns zu eigen machen können. Also ausgeschlossen ist jede Aktivität des spezifischen Denkens, die sich in den logischen Gebilden, sei es auf Grund der Erfahrung, neue Gegenständlichkeiten schafft, die dann eben nicht mehr bloße Erfahrungs­gegenständlichkeiten sind. Z.B. ein prädikatives Gebilde „Gold ist gelb“ ist nicht erfahren, aber das Gold ist eventuell erfahren und ebenso das Gelb. Nicht mehr: Gelb alsPrädikat des Subjekts „Gold“, die Subjekt­formung und Prädikatformung vollzieht das urteilende, beziehende Denken, in dem allein auch das Ist, der Ist-Verhalt, der „Sachverhalt“ entspringt (Hua IX, 95f.).

60Auszuschalten ist demnach, was Hegel als „das Negative der Tätigkeit des Geistes“ bezeichnet, wodurch der sinnliche Stoff „vergeistigt und als Sinn­liches aufgehoben wird“, weil — anders als er meint — das sinnlich Gegebene nicht „bloß das empirische Erste“, sondern „die wahrhaft substan­tielle Grundlage“ ist.32

61Obwohl die Deskription der vorbegrifflichen Erfahrung nur durch begriffliche Denkbestimmungen vollzogen werden kann und dem sinnlich Gegebenen Niederschläge von Denktätigkeiten anhaften, kann man immer zwischen dem sinnlich Erfahrenen bzw. Vorgegebenen einerseits und dem daran geübten Denken und den darin sich bildenden Gedanken andererseits unterscheiden (Hua IX, 57). Wie Husserl in seinen frühen Raumanalysen bemerkt, fassen wir den anschaulichen Raum “eo ipso in Begriff und Urteil“, wenn wir von ihm sprechen und ihn zum Objekt wissenschaftlicher Betrach­tung machen (Hua XXI, 273); da aber wir die begrifflichen Bestimmungen des geometrischen Raums mit den anschaulichen Bestim­mungen des außerwissenschaftlichen Raumes vergleichen können, sind die intellektuelle Beschreibung und die beschriebene Anschauung selbst zu unterscheiden, „die als das, was sie ist, durch jene begriffliche Bear­beitungen nicht tangiert wird und tangiert werden soll“ (ebd. 274).

62Husserls Idee einer transzendentalen Ästhetik wird durch Avenarius’ Gedanke einer Entfaltung des natürlichen Weltbegriffs angeregt (Ms. A VII 20/47a): Da alle Theorien und Interpretationen sich auf die vor aller Theorien und Interpretationen gegebene Welt beziehen und einen berechtigten Sinn nur haben können, wenn sie den Sinn der unmittelbaren Gegebenheit nicht verletzen, gilt es, „die Welt zu beschreiben, so wie sie sich mir unmittelbar gibt“, und den „allgemeinen Sinnesrahmen der Welt in unmittelbarer Er­fahrung“ herauszustellen, den die Erfahrung vorschreibt und keine Theorie preisgeben darf (Hua XIII, 196f.). Es gilt also, vor aller Theorie dem sein Ursprungsrecht zu zubilligen, ohne das keine Theorie einen Sinn haben kann (Hua XXXV, 476).

63Zur objektiven Struktur der vorgegebenen Welt gehören weder Ge­fühlsprädikate noch kulturelle Bestimmungen, die im Gegensatz zu den sinnlichen Bestimmungen in einer außerwesentlichen Beziehung zum Ding stehen. Denn Gefühle und Stimmungen kommen dem Ding nur subjektiv zu, während die Perspektiven „in einem wesentlichen Zusammenhang mit dem Ding innerhalb seiner dinglichen Natur“ stehen (Hua XXXIX, 269). Und die geistige Bedeutung als Werkzeug, Kunstgebilde usw. ist „eine rein geistig-personale Leistung und steht darin nicht gleich den naturalen Erschei­nungsweisen“, die sich passiv konstituieren (ebd. 277). Kultur­objekte stam­men nämlich aus einem subjektiven Schaffen und sind auf eine personale Gemeinschaft bezogen: „Die Subjektbeziehung gehört zu ihrem eigen­wesentlichen Inhalt selbst, mit dem sie jeweils gemeint und erfahren sind“, während ein Ding „in seinem Er­fahrungsgehalt selbst, in seinem ge­genständlichen Sinn selbst nichts von einer darauf bezoge­nen Subjektivität“ birgt (Hua IX, 118), weshalb seine Relativität bloß eine Relativität auf die Leiblichkeit ist (Hua XV, 47f.).33

64Im Gegensatz zur Dingwelt ist die Kulturwelt nur bedingt zugänglich und besitzt eine beschränkte Objektivität (Hua I, 160ff.; Hua Mat VIII, 398ff.). Insofern die Gegebenheit idealer bzw. geistiger Sinne wesensnot­wendig auf der Gegebenheit sinnestragender realer bzw. physischer Körper fundiert ist (Hua XXXVII, 218f.), ist die „Dingwelt gegenüber der Kulturwelt das an sich Frühere“ (Hua IX, 119). Was mit einer kulturellen oder praktischen Bedeutung wie auch mit Gefühlscharakteren ausgestattet ist, ist ein sinnlicher Inhalt, der dank seiner ästhetischen Struktur in der Er­fahrung identifizierbar ist (Hua XXXIV, 261; Hua XXXIX, 324). Z.B. setzt das Merkmal „Nahrungsmittel“ schon das Raumobjekt als Erfahrungs­objekt voraus (Hua Mat VIII, 339). Deshalb „liegt schließlich die materielle Realität allen anderen Realitäten zugrunde“ (Hua III, 354).

65Keine Praxis ist möglich ohne ein sinnlich Gegebenes, auf dem sie ausgeübt werden kann. Es gibt also keine Zuhandenheit ohne Vorhandenheit, aber nicht umgekehrt, insofern etwas vorhanden sein kann, ohne zuhanden zu sein. Die transzendentale Ästhetik befasst sich gerade mit der Konstitution der sinnlichen Vorhandenheit, die die Grundlage für die Konstitution der praktischen Zuhandenheit bildet, also mit der Konstitution der materiellen Dinge, die nicht geschichtlich bestimmt ist, da die ihr zugrundeliegenden sinnlichen Verschmelzungen nach invarianten sachlichen Wesensgesetzen zustandekommen und somit „unhistorisch“ sind (Hua Mat VIII, 338). Es geht also dabei um die durch Abbau der konkreten Umwelt gewonnene „kultur­lose Welt“ (Hua XXXIX, 529): „Jede als Kulturwelt vorgegebene Welt weist genetisch zurück auf eine noch kulturlose und überhaupt von objektivem Geist freie“ (ebd. 28).

66Demnach liegt die eine Erfahrungs­welt den vielen Umwelten zugrunde und ist nicht relativ auf ein Weltbild, sondern stellt die Grund­lage aller möglichen Weltbilder sowie ihrer Vergleichbarkeit dar.34 In der Erfahrung besteht nämlich ein für jedermann identischer Inhaltskern, d.h. ein „un­bedingt Objektives“, über das hinaus je nach den Sondergemeinschaften wechselnde Bestimmungen bestehen (ebd. 295). Anders als die sinnlichen Bestimmungen, welche die Identifikation des Realen ermöglichen, bilden also die kulturellen Bestimmungen „das relativ Objektive“, das auf beson­dere Weltanschauungen bezogen ist (ebd. 297). So ist bei aller Verschieden­heit der Mythologeme doch immer ein außermythologischer Kern identischer Sachlichkeit abzuheben: „Es ist z.B. dieselbe Sonne, derselbe Mond, dieselbe Erde usw., die verschieden mythologisiert wird in den verschiedenen Völkern“ (Hua XXIX, 387). Trotz der Verschiedenheit der Apperzeptionen ist demzufolge jedes Subjekt in seiner Weise auf die Welt für alle bezogen.

Nicht mit allen Menschen teilen wir dieselbe Lebenswelt, nicht alle Menschen „auf der Welt“ haben mit uns alle Objekte, die unsere Lebenswelt ausmachen und die unser personales Wirken und Streben bestimmen, gemeinsam. Objekte, die für uns da sind, sind für sie nicht da, und das sagt, sie haben von ihnen als diesen Objekten überhaupt keine Auffassungen, keine Erfahrungen: selbst wenn sie […] diese unsere Objekte sehen (Hua IX, 496f.).

67Z.B. ist für den Zulu das, was wir als Bücher kennen und erfahren, nicht da, obschon die Bücher als Dinge da sind. Aber durch alle gemeinschafts­subjektive-relative Umwelten geht eine selbige Welt hindurch (Hua XXXIX, 692). Denn es ist immer „dieselbe Welt, die widerspre­chend aufgefasst wird, über die gestritten wird“ (Hua XV, 396): Die konkrete Welt ist für jeden Kulturkreis „eine andere, doch so, dass jeder sich mit jedem einig weiß darin, dass die eine und selbe Welt erfahren sei, aber dass jede Sondermenschheit sie, die­selbe, ,anders auffasse‘“ (ebd. 217). Obwohl also die bewährte Welt immer eine subjektiv-relative Umwelt ist, wird es immer vorausgesetzt, dass sich in ihr eine Welt an sich bekundet. „Diese Voraussetzung ist nicht ein theoretisches, historisch-faktisches Vorurteil, sondern gehört zum wesent­lichen Sinn der Welterfahrung eines jeden“ (Hua XXXIX, 684).

68Danksagung Ich danke dem Direktor des Husserl-Archivs in Löwen, Prof. Dr. Ullrich Melle, für die Genehmigung, aus Husserls unveröffentlichten Manuskripten zu zitieren. Auch bei Francesco Armezzani, Emanuele Cami­nada, Wolfgang Kaltenbacher und Andrea Michler möchte ich mich für die hilfreichen Hinweise zur Verbesserung des Textes herzlich bedanken.

Bibliographie

Abkürzungen

EU Husserl, E., Erfahrung und Urteil. Untersuchungen zur Genealogie der Logik, hg. von L. Landgrebe. Hamburg: Meiner, 1972.

Hua Husserliana. Edmund Husserl – Gesammelte Werke. Den Haag: Nijhoff, 1950ff.

Hua Mat Husserliana Materialien. Edmund Husserl – Materialien. Dordrecht: Kluwer, 2001ff.

           

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Notes

1  Vgl. Hua XXIV, 209, 408, 411; Hua II, 11ff.; Hua Mat VII, 64f.; Kern 1975, 432ff. Kern zufolge ist Aktreflexion nicht Phänomenologie, sondern Noumenologie.

2  Vgl. Lohmar 2012.

3  Vgl. Hua Mat VII, 122; Hua XVI, 54; Hua III, 227; Hua XXV, 146; Hua XLI, 273.

4  Vgl. Kern 1975, 123ff.

5 Solchen Konflikt spürt selbst Husserls Begriff des Transzendentalen, der nicht nur in psychologisch-introspektivem, sondern auch in ontologisch-eidetischem Sinn verstanden wird. Denn Husserl spricht von Voraussetzungen, „die nicht wirklich transzendental, alsoaus derWesensintuition möglicher Welt geschöpft sind“ (Hua XXXII, 123), und bezeichnet die „apriorischen Bedingungen möglicher Erfahrung“ als die „ontisch-apriorische[n] Wesensstrukturen, ohne die eine Welt als Welt möglicher Erfahrung undenkbar wäre“ und die durch die „Methode der Wesens­variation“ zu gewinnen sind (ebd. 118).

6  Vgl. Hua XIX, 365f., 646ff., 769ff.; Hua XXXVI, 21ff., 62ff.; Hua XI, 16ff.

7  Vgl. Melle 1983, 40ff.

8  Vgl. Ms. B I 4/15a; Hua XLII, 577; Hua XXXVI, 27f., 37, 138; Hua V, 78; Hua XXV, 184, 186; Hua VIII, 189. Solcher Idealismus liegt bereits in den Logischen Untersuchungen, wo angenommen wird, „dass die objektiven Gründe aller Rede von physischen Dingen und Ereignissen in bloßen gesetzmäßigen Korrelationen […] zwischen den psychischen Erlebnissen“ liegen (Hua XIX, 371) und sogar dass Sinnendinge „aus demselben Stoff konstituiert sind, den wir als Empfindungen zum Bewusstseinsinhalt rechnen“ (ebd. 764).

9 Melle 1983, 50f.; vgl. Philipse 1995, 262ff. Falsch ist die These von Holenstein(1980, 94), dass die Unabhängigkeit zwischen der Annahme von Introspektionen und der Zeichentheorie der äußeren Wahrnehmung schon daraus hervorgeht, dass Husserl zugleich Introspektionist und Kritiker der Zeichentheorie war. Husserls Fall beweist im Gegenteil, dass es unmöglich ist, die Zeichentheorie preiszugeben, wenn man nicht den Introspektionismus preisgibt. Zwar bestehen subjektive Erfahrungen und davon haben wir anschauliche Kenntnis. Aber anders als Husserl meint, ist die „Wahrnehmung im Immanenten“ nicht die „urorginale Leistung für alle sonstigen Modalitäten der Anschauung“ (Hua VIII, 469) und das Bewusstsein eines Gegen­standes setzt keinen introspektiv erfassbaren immanenten Inhalt voraus. Intentionale Akte meinen etwas, aber dem Bewusstsein wohnt nichts ein, das solchem Etwas entspricht und als dessen Repräsentanten fungiert. Wenn nämlich das Bewusstsein keine Schachtel ist (Hua XIX, 169; Hua Mat III, 114; Hua II, 12, 71f., 74f.; Hua IX, 435, 437; Hua XXXV, 86, 122f., 175), dann ist es inhaltsleer bzw. enthält nichts.

10  Vgl. Brief an Th. Lipps, Januar 1904; Brief an H. Cornelius, 28.IX.1906; Hua Mat V, 43, 46: Hua XXIV, 211, 381; Hua XXV, 117ff.; Hua V, 89f., 146ff.; Hua IX, 45, 191f., 277, 288, 294, 296, 343, 347; Hua XVII, 261f.; Hua I, 107, 159; Hua XXVII, 181.

11  Vgl. Kern 1975, 245ff. Husserl setzt selbstverständlich voraus, dass „auf jedem Akt in einem zweiten Akt reflektiert werden kann, der den ersten Akt genauso in einer inneren Wahrnehmung vorfindet, wie wir in der äußeren Wahrnehmung irgendein Ding vorfinden“ (Tugendhat 1967, 209f.). Das ist abwegig, wie Husserl selbst andeutet, denn „immanente Objekte sind nicht wiederholt wahrnehmbar, sondern nur Einheiten wiederholter Wiedererinnerungen und überhaupt Vergegenwärtigungen“ (Hua XIII, 170 Anm. 1).

12  Das Bewusste ist Bewusstsein nicht in der ursprünglichen Wahrnehmung, die auf den Wahrnehmungsgegenstand gerichtet ist, sondern in der nachträglichen Reflexion, die auf den Wahrnehmungsakt gerichtet ist.

13  Vgl. Asemissen 1957, 23ff.; Tugendhat 1967, 72f.; Holenstein 1972, 86ff., 101ff. Schon Merleau-Ponty (1974, 23) bemerkt: „Qualitäten sind nicht Bewusstseins­elemente, sondern Eigenschaften eines Gegenstandes“.

14  Vgl. Hua XIX, 358f.; Hua X, 5ff.; Hua XVI, 42; Hua Mat VII, 118ff. Die Auflösung der Welt in das Bewusstsein ist die Folge der Psychologisierung der sinnlichen Inhalte: „Das Natursein ist […] ganz und gar geborgen im Bewusstsein und in einem ganz ähnlichen Sinn wie das Sein des Tones im Tonbewusstsein“ (Hua XXXVI, 69).

15  Vgl. Hua XXXVI, 32, 115f., 152, 191; Hua XXXII, 63.

16  Philipse 1995, 300.

17  Die zeitliche Synthesis ist eine bloß formale, weil Zeitbewusstsein „nur ein eine allgemeine Form herstellendes Bewusstsein“ ist (EU, 76, 207). Die Zeit­form — genauso wie das leere Etwas der formalen Ontologie — ist eben eine allgemeinste Form jedes erdenklichen individuellen Inhalts, während der sie erfüllende Inhalt je nach seiner sachhaltigen Eigenart verschieden ist (Hua XI, 138, 333f.; Hua Mat VIII, 295ff.). Da also die intentionale Analyse des Zeitbewusstseins „von dem Inhaltlichen abstrahiert“, kann sie nicht sagen, „was dem jeweiligen Gegenstand inhaltliche Einheit gibt, was Unterschiede des einen und anderen inhaltlich ausmacht“ (Hua XI, 128).

18  Vgl. Tugendhat 1967, 173ff., 199, 212ff.

19  Den Ansatz der Prolegomena (Hua XVIII, 135f., 155) übernehmend schreibt Husserl 1908: „Dass Wesensgesetze gelten, fordert kein faktisches Bewusstsein, obschon natürlich um sagen zu dürfen, dass sie gelten, ein Bewusstsein nötig ist“ (Hua XXXVI, 18).

20 Die Rede von den „Ursprünge[n] der Objektivität in der transzendentalen Subjek­tivität“ (Hua VII, 382) kann sowohl besagen, dass letztere der Ort aller Ausweisung ist, als auch, dass sie das Prinzip der Konstitution ist. Husserl kann jedoch die Subjektivität für das Konstitutionsprinzip der Objektivität halten, nur sofern er — in Widerspruch mit seiner Lehre der materialen Gesetzmäßigkeit — die Struktur der Welt auf eine subjektive Formgebung zurückführt.

21  Holenstein 1972, 194.

22  Vgl. Hua Mat VIII, 184, 189, 191, 323, 326, 351; Hua XLII, 28, 34, 35.

23  Vgl. Gurwitsch 1975, 30.

24  Vgl. Holenstein 1972, 212.

25  Eine Gegebenheit kann nur dadurch erklärt werden, dass sie auf eine ursprüng­lichere Gegebenheit zurückgeführt wird. Das ist auch beim Schema Inhalt/Auffas­sung der Fall, wonach das ursprünglich Gegebene gerade reelle Bestände sind.

26  Vgl. Hua XIX, 665ff., 714ff., 729; De Palma 2010.

27  Vgl. Smith 1986.

28  Vgl. Hua XLI, 262, 289;Hua XXXII, 15, 116; Hua IX, 56.

29  Vgl. Sowa 2010.

30  Vgl. Hua VI, 142, 176, 360f.; Hua XXIX, 140; Hua XXXIX, 282ff., 673ff.

31  Vgl. Hua VI, 380ff.; Mertens 1996, 272f.

32  Hegel 1970, § 442 A.

33 Aus der psychophysischen Abhängigkeit der Erscheinungen von der Leiblichkeit kann man nicht entnehmen, dass die Dinge nicht so sind, wie sie erscheinen, und dass die anomalen Erscheinungen ebensoviel Recht haben wie die normalen. Denn es sind nicht die betreffenden Erscheinungen normal, da sie psychophysisch auf eine gewisse normal genannte Organisation des Leibes bezogen sind. Vielmehr konsti­tuiert sich eine reale Welt so, dass sich die Systeme normaler Erscheinungen in der psychophysischen Regelung der mitkonstituierten Leiblichkeit zuordnen, wobei eine gewisse Organisation des Leibes vorausgesetzt wird. „Die psychophysischen Bezie­hun­gen geben also wohl keinen Anlass (dem so­lipsisti­schen Subjekt), die ,Erschei­nungen erkenntnistheoretisch irgendwie zu relativie­ren, die normalen und ano­malen gleichzustellen und dann etwa zu sagen: Die sinnendinglich sich dar­stellen­den Be­stimmtheiten der rea­len Dinge kommen diesen selbst nicht zu“ (Hua XIII, 368f.).

34 Falsch ist deshalb die These von Crowell (2012, 43), dass „the ,nature‘ that belongs to the phenomenologically pre-given world is relative to culture in just the way that ,nature‘ as the object of natural science is relative to theory“.

Para citar este artículo

Vittorio De Palma, «Phänomenologie — Psychologie oder Ontologie?», Bulletin d'Analyse Phénoménologique [En ligne], Volume 12 (2016), Numéro 8, URL : https://popups.uliege.be/1782-2041/index.php?id=917.

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